Am neunten Mai war es wieder so weit. Am Freitag habe ich das Büro etwas eher verlassen und mich aufgemacht zu unserer schönen Unterkunft, der Villa Eckardt in Schmiedefeld am Rennsteig.
Unsere Gruppe reist sternförmig an - Matthias F. aus Düsseldorf hat schon den Pokal für die weiteste Anreise sicher. Während ich noch unterwegs bin, meldet schon der LT Nauen die Ankunft. Pastaparty mit Kaffee und Kuchen - das sind die Gesetzte des Rennsteigs.
Steffen hat es geschafft am Abend, für eine beachtliche Gruppe einen Tisch im Frühstücksraum des Rennsteiglaufhotels zu reservieren. Ich bin jetzt das sechste mal hier und kannte das gar nicht, in unmittelbarer Nähe unserer Unterkunft leckere Pasta und nicht diese Thüringer Hausmannskost, die ich eigentlich erwartet hatte. Erstaunlich viele trinken hier am Vorabend auch schon Schwarzbier- man merkt, hier steht eher der Spass an der Veranstaltung im MIttelpunkt.
Ganz im Sinne grosser Laufveranstaltungen losen wir unsere Laufstrecken aus. Matthias F. und ich müssen nach Eisenach, Elke K. darf zum Marathon nach Neuhaus. Janin, Heidi, Martina und Matthias K. dürfen sich auf der Nordic-Walking Strecke austoben.
Genau- war natürlich nicht gelost - wir überlegen uns ja immer ganz genau, was wir machen. Da es mir gut geht, fällt der Halbmarathon weg. Der London Marathon vor vierzehn Tagen, steckt mir noch in den Beinen - ich erwarte kein Finish unter 05:30. Da würde mich aber jeder, dem ich davon erzähle fragen: Was war los ? Ein Finish beim Supermarathon findet unabhängig von der Laufzeit immer Beachtung und hier hat man 12 Stunden Zeit. Also meine Entscheidung steht.
Frühstück diesmal dreigeteilt- zuerst Matthias und ich, dann die Walker, Elke ist danach dran und kann am längsten schlafen.
Um 03:00 gehe ich mit Matthias zum Bus. Und diesmal haben wir richtig Pech- ich freue mich auf eine entspannte Fahrt im bequemen Reisebus, denn es ist ja noch dunkel und Schlaf gab es heute ja nicht viel. Dann aber das böse Erwachen - hier steht ein Linienbus.
Ich versuche beim Einsteigen einen Rabatt auszuhandeln- die junge Dame lässt sich nicht erweichen. Die Drohung ist hart: Zehn Euro, oder ich fahre um 07:30 nach Oberhof. Wir nehmen Platz - mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Mir gegenüber sitzt ein Läufer mit genauso langen Beinen- unter meinem Sitz ist der Radkasten, also liegen die Laufbeutel im ohnehin beschränkten Fussraum. Sitze steinhart- natürlich ohne Kopfstütze. Das Bild, welches sich mir bietet ist grauenhaft- Läufer die verzweifelt versuchen, etwas Schlaf zu bekommen- die Köpfe nach vorn geneigt, zur Seite abgekippt oder der typisch überstreckte Kehlkopf durch nach hinten abgeknickten Kopf. Und jetzt werden wir auch noch gedemütigt durch den nach uns gestarteten Reisebus, welcher gefüllt mit entspannten Läufern, uns zügig und genüsslich überholt. Wie gerädert steigen wir nach einer Stunde und vierzig Minuten Fahrzeit aus.
Die Stimmung auf dem Marktplatz kocht über.
Dann gehts endlich los. Matthias verliere ich schnell aus den Augen. Die ersten fünfundzwanzig Kilometer geht es im Mittel nur bergauf. Beim Anstieg treffe ich auf Christel, die hatte uns in den Startlisten schon gefunden, aber in anderen Startorten erwartet.
Nach fast dreieinhalb Stunden bin ich oben. Jetzt nur noch fünfzig Kilometer.
Moment- ich spule nochmal zurück.
So darf man hier nicht denken und tue das auch nicht. Ich freue mich ab dem Start darauf, den ganzen Tag zu laufen. Ich achte zunächst drauf, dass mein Puls nicht über 130 kommt- da fühle ich mich lange Zeit nicht angestrengt.
Auch diesmal bemerke ich etwas, was ich bisher bei keinem Marathon beobachten konnte. Ab Kilometer 45 wirkt mein Körper leistungsbegrenzt. Nur mit äusserster Mühe kann ich eine Pace unter sechs Minuten laufen und der Pulserreicht nie mehr als 150. Ich weiss nicht, ob es die Beine sind, die nicht schneller wollen und daher der Puls nicht steigt oder ob der Kreislauf abriegelt und deshalb kein höheres Tempo drin ist. Vermutlich ist es der Punkt erschöpfter Kohlenhydratspeicher und mein Körper läuft nun auf Fettverbrennung.
Fakt ist, immer an diesem Punkt habe ich den Eindruck, dass nun nichts mehr schief gehen kann, denn kann man jetzt überhaupt noch einbrechen, wenn keine Kohlenhydrate mehr da sind ? Selbst von einem Einbruch an dieser Stelle möchte ich nicht sprechen, denn ich bin ja heute von Anfang an, noch nicht schneller gelaufen.
Ein wahnsinniges Gefühl, ich kann nur jedem empfehlen, das einmal selber zu spüren.
Froh stimmt mich auch meine Entscheidung, eine warme Jacke mitzuführen, hier in einer Höhe um die 900m ist es im Wald sehr frisch. Nach 09:23h komme ich in Schmiedefeld an. Matthias F. Elke K. und unsere Walker Heidi, Martina, Janin und Matthias K. sind schon im Ziel.
Genau wie vor zwei Jahren, beginnt es heut erstmalig auf meinem Weg zur Kleiderbeutelwiese an zu regnen. Ich treffe Matthias F. der eine Viertelstunde vor mir im Ziel war. Elke K. ist auch schon geduscht- hat ihre bisherige Bestzeit auf der Marathondistanz um 25 Minuten verbessert. Was für eine Leistung- auch sie ist vor 14 Tagen noch in London gelaufen.
Auch Steffen empfängt uns herzlich.Er wollte es nicht auf sich sitzen lassen, dass er im vergangenen Jahr drei Minuten vor meinem Finish den Zielbereich verlassen hatte.
Jetzt schnell hier geduscht und kurz zurück zur Unterkunft und dann müssen auch schon wieder zurück ins Festzelt mit seinem notorischen Platzmangel für grössere Gruppen.
Zum Glück hat ein Läufer neben mir den Text des Rennsteigliedes ausgedruckt, in meinem sechsten Jahr hier bin ich leider immer noch nicht textsicher.
Wir tanzen wie immer ausgelassen - und das macht der ganze Saal so. Was für eine Stimmung. Ich bin immer wieder beindruckt, wie stabil Bierzeltgarnituren sind.
Ein toller Abschluss eines grandiosen Läuferfestes -und wir habenunseren Teil dazu beigetragen.
Nach dem gemeinsamen Frühstück am nächsten Morgen reisen wir wieder in alle Himmelsrichtungen ab.
Wir waren gerne hier zu Gast und wenn wir dürfen, kommen wir gerne wieder!
Heiko