Angeregt aus dem RW-Forum habe ich mal nach meinem Laufbericht vom ersten Marathon gestöbert.
Wer Spaß dran hat kann noch mal mitfiebern...
Laufbericht vom 25.9.2005
32. Berlin Marathon - 42,195 Km
Am Sonntag bin ich meinen ersten Marathon gelaufen. Das monatelange Training hat sich wirklich gelohnt und ich bin sehr glücklich und zufrieden, so wie es gelaufen ist. Die letzten Tage des Wartens waren unglaublich nervig. Die ganze Vorfreude und Anspannung war mir deutlich anzumerken, meine Familie musste sicherlich ganz schon was aushalten. Aber jetzt ist es geschafft!
Detlef (aus meiner Laufgruppe), Gerald (mein Nachbar) und ich sind morgens um 7 Uhr schon zum Reichstag gefahren, weil wir nicht so ins Gedränge kommen wollten. Zu unserer Freude haben wir Susi und Björn aus unserem Lauftreff getroffen, die zum Minimarathon wollten. Ein großes Hallo schon in der S-Bahn.
Detlef und ich haben uns dann in den Startblock begeben und hatten dann noch etwa eine Dreiviertelstunde Zeit bis zum Startschuss. Da wir schön weit vorne standen, kamen wir gut weg. Den ersten Km liefen wir flott in 5:31 min, Gerald noch schneller. Eine ganz komische Stimmung. Wenig Jubel, alle sind angespannt und es ist eigentlich sehr ruhig. Jeder sucht seinen Rhythmus, alle sind gut drauf. Moabit, Mitte, Friedrichstraße, Alexanderplatz alles verging wie im Flug – nanu, schon wieder ein Km um. Einige ganz schnelle drängeln sich vorbei. Wir sind nach 54 min an der 10 Km Marke. Ich glaube, Detlef war es zu langsam, aber ich fand das Tempo prima.
Kreuzberg, Hermannplatz, Südstern, Yorkstraße … langsam wird es warm. Wir trinken viel, bei jedem Getränkestand greifen wir zu. 20 km nach 1:50, das sieht für mich gut aus, wir sind auf 4-Std-Kurs, wenn auch nur knapp. Halbmarathon bei 1:56 passiert, Rathaus Schöneberg, Innsbrucker Platz – immer mehr Menschen an der Straße. Unter der Autobahnbrücke Sambatrommeln, dass dröhnt total – die Beine sind schon etwas schwer. Detlef zieht mich mit, ich laufe immer wieder zu ihm auf. Ich hoffe, dass er nicht auf mich warten muss, mir ist meine Zielzeit eigentlich egal.
Der wilde Eber… Wahnsinnsstimmung, schon weit vorher hört man das Dröhnen. Die Leute sind ja völlig aus dem Häuschen. Was geht den hier ab?!! Am liebsten würde man stehen bleiben und mitfeiern, aber man muss ja weiter… Wir sehen unsere Lauftreffis Bianka, Matthias und Eli… eine schnelle Umarmung, ein Händeschütteln, eine Banane in die Hand und ein Getränk. Wir müssen weiter, mahnt Detlef… Schade, dass ihr nicht mitlauft!
Hohenzollerndamm… ich lasse ihn laufen. Mir reicht es jetzt, ich will das Tempo nicht mehr mitgehen. Schließlich muss ich ja noch bis ins Ziel laufen. Hätte ich viel eher machen sollen. Hier sind schlagartig kaum noch Leute zum Anfeuern und es geht gefühlte 10 km immer gerade aus. Ich sehe die 30-er Marke. Die Zeit 2:49 - wie im Lehrbuch fühle ich, wie mir die Kräfte schwinden. Ohje, und noch so weit. Endlich der Fehrbelliner Platz, Sabine fällt mir um den Hals, meine Söhne haben ein Schild gemalt („Quäl dich“) und meine Schwester feuert mich an.
Was geht mir jetzt durch den Kopf? Weiter, immer weiter! Wer hat eigentlich die Km-Schilder so weit auseinander gestellt? Den Kudamm herunter, das ist kürzer als ich dachte, die Stimmung ist hier wieder klasse. Behalte den Kopf oben, bleibe locker, dir tut nichts weh, es geht doch. Wittenbergplatz, hier wummert der Technobeat, tausende von Menschen. Hier kann man gar nicht stehen bleiben. Wie schön wäre es, mal ein Stück nur zu gehen…nein, nein und nochmals nein. Ich habe doch nicht das ganze Jahr trainiert, um jetzt zu gehen!
Verpflegungsstand Kleiststraße Km 35 – 3:20 – aus die Maus – nur noch ankommen. Hier warten Sabine und meine Schwester wieder auf mich. Na ja, mehr Mitleid als anfeuern. Denen werde ich es zeigen….Die 7 Km gehen jetzt auch noch. Potsdamer Straße, es geht leicht bergauf, viele Kapitulieren hier, ich laufe 6:30 min den km - lächerlich. Ich laufe wie im Tunnel. Es ist ja nicht mehr weit, stelle dir den Zieleinlauf vor! Kopf oben lassen, bleibe locker, gleich hast du es geschafft! Potsdamer Platz, die Leute stehe hier so dicht, dass sie dich rechts und links beinahe berühren. Du wirst durchgetragen. Du kannst das Brandenburger Tor ja schon sehen!
Markgrafenstraße – Augen zu und durch, kein Blick für die Sehenswürdigkeiten. Aber plötzlich sehe ich Gaby (Kollegin) und Jürgen (ihr Freund) am Rand. Toll, die fotografieren mich sogar.
Schlossplatz, Unter den Linden. Gaby feuert mich noch mal an. Die Stimmung explodiert. Das Ziel ist nah, alles ist wieder in Ordnung. Sind schon komisch, so ein paar Beine, warum können die jetzt plötzlich wieder laufen? Eigentlich spielt sich das alles im Kopf ab - mentale Stärke – aber kann man die trainieren?
Brandenburger Tor – Gänsehaut, mir laufen Schauer über den Rücken. Auf den Tribünen wird die Welle angestimmt – einfach irre, Wahnsinn – ich bin im Ziel -4:08!!!! Was für ein Moment – ich bin nur noch glücklich. Was soll man dazu noch sagen? Der Kampf ist vergessen, die Medallie ist wunderschön.
Jetzt nur nicht umkippen, nur auf den Beinen bleiben. Der Kopf ist leer. Es dauert ewig, bis ich meine Mitläufer Detlef und Gerald gefunden habe. Die liegen beide ganz entspannt im Gras, beide so um die 4 Stunden und nicht so ganz zufrieden, ganz im Gegenteil zu mir. Ich bleibe nur kurz, will zu meiner Familie. Sabine ist richtig lieb zu mir, wir liegen uns in den Armen. Mein Vater ist auch da und platzt gleich vor Stolz. Ja, ich habe es geschafft, was für ein irrer Lauf!
Jetzt bin ich den Marathon gelaufen – ein gutes Gefühl, das Lust auf mehr macht. Wir sehen uns im nächsten Jahr … an der blauen Linie!